An jedem Adventssonntag und an Heiligabend veröffentlichen wir einen Adventsgruß – eine Andacht aus der Akademie. Zum 1. Advent schreibt Akademiedirektor Dr. Jörg Herrmann über den Schatz echter Begegnung:
Manchmal muss man warten. Auf den Impfstoff. Auf Heiligabend. Auf die Ankunft Gottes in unserem Leben. Mit dem heutigen ersten Advent beginnt das Warten im Kirchenjahr. Es ist ein erwartungsvolles Warten. Und es läuft auf die Ankunft des Christkindes hinaus. Zeichen deuten auf seine Geburt hin, ein Stern, eine Engelserscheinung. Den Hirten wird große Freude verkündet und sie machen sich auf den Weg nach Bethlehem. Dort finden sie das Jesuskind in der Krippe. Den menschgewordenen Gott. Damit beginnt etwas Neues. Die Geschichte einer verschwenderischen Liebe, die keine Gegenleistung und keine Belohnung erwartet.
Eine Geschichte, die bis in die Gegenwart reicht und Menschen motiviert, sich anzuschließen, in diese Erzählgemeinschaft in der Nachfolge Jesu einzutreten.
Bemerkenswert daran scheint mir: Diese Geschichte beginnt mit einer Inkarnation, mit einer Fleischwerdung. "Das Wort ward Fleisch", heißt es im Johannesevangelium. Eine Botschaft, ein Buch, ein Diskurs reichte nicht, um diese Geschichte zu begründen. Es geschah durch einen Menschen aus Fleisch und Blut, durch den Wanderprediger Jesus, der heilte und im Alltag der Menschen präsent war. Eine Videobotschaft per Zoom hätte es nicht getan. Klar, wir haben die Möglichkeiten digitaler Kommunikation in der Pandemie schätzen gelernt. Aber viele machen zugleich die Erfahrung der Grenzen digitaler Kommunikationsinstrumente. Videokonferenzen können kein analoges Treffen ersetzen, jedenfalls nicht vollständig. Es ist etwas Anderes, ob ich jemanden auf dem Bildschirm sehe oder ihm oder ihr tatsächlich gegenübersitze. Die Gegenwart von Menschen ist eben doch nicht zuletzt von ihrer körperlichen Präsenz abhängig. Diese Bedeutung des menschlichen Körpers wird von der Inkarnation unterstrichen. Gott wird ein Mensch aus Fleisch und Blut.
In einer Online-Diskussion hat ein Kollege unlängst die These vertreten, dass lebensprägende Erfahrungen immer analoge Erfahrungen seien. Ausnahmen bestätigen die Regel. Denken Sie an Luthers intensives Bibelstudium, das ihm die reformatorische Einsicht durch die Lektüre des Römerbriefes des Paulus eröffnete. Aber in der Regel trifft die These des Kollegen wohl zu. Und wir erleben gerade, was wir durch die Kontaktbeschränkungen alles verlieren. Die Bedeutung körperlicher Kopräsenz, der Wert der Nähe von Menschen aus Fleisch und Blut ist durch die Notwendigkeit der sozialen Distanzierung erneut deutlich geworden. Und wie der Advent die Ankunft des Göttlichen in einem Neugeborenen begeht und feiert, so kann uns auch heute Gott im Anderen entgegenkommen. In einem Menschen aus Fleisch und Blut, dem wir Face to Face begegnen. Wir sollten die wenigen Begegnungsmöglichkeiten in der gegenwärtigen Situation nicht geringschätzen.